C. Begegnung mit Gedanken

 

 

Begegnungen

 

                                mit Gedanken

 

 

 

                                                  Helmut Pohl

 

 

 

 

 

Bücher verdienen meiner Meinung nach stets eine besondere Aufmerksamkeit, weil sie - und dies zunächst ganz ohne Wertung - niedergeschriebene Gedanken von Menschen sind. Und die legt man nicht einfach zur Seite oder lagert sie womöglich gar in einem Container.

 


 

 

Bücher

 

Wenn ich sie alle lese, weiß ich nichts mehr.

Wenn ich sie nicht lese, weiß ich noch weniger

 

 


 

 

Bin ich

Wer ist da eigentlich alles um mich, während ich alleine bin ?

Oder bin ich gar nicht alleine, bin ich gar nicht ?

Vielleicht sind die um mich, der ich bin.

Dann bin ich nicht und auch nicht alleine.



 

Weiß ich eigentlich wer ich bin ?

Und weiß ich es immer ?

Und wer ich gestern war und ob ich heute derselbe bin ?

Und wer werde ich morgen sein ?

Werde ich jemals ich sein ?

Will ich es überhaupt sein ?

Wer bin ich ?

Kann mir jemand einen Hinweis geben ?



 


 

Warum kann man nicht einfach sein ?

Nicht müssen, nur sein.

 

So wie der Baum vor meinem Fenster.

Nur stehen und winken .

Eben nur Baum.

 

Doch ich will nicht sein wie.

Sondern ich.

 


 

 

 

Darf ich dich etwas fragen ?

Frage, aber ich antworte nicht.

 

Warum soll ich dich dann fragen ?

Damit ich dir nicht antworten kann.

 

Und warum antwortest du nicht ?

Wenn ich dir antworte, brauchst du mich ja nicht mehr fragen.

 


 

 

 

Schreiben heißt fragen. Große Texte sind groß, weil sie große Fragen stellen. Die mitunter drängendste Frage von allen: Wie hält man das alles hier aus ?

Lesen, ebenso wie leben, heißt Antworten suchen.


 

 

 

 

 Etwas von mir

 

Jetzt ist es geschehen !

Wer bist du ?

Derjenige, der heute nicht mehr sein wird.

Was ist geschehen?

Jenes, daß ich damals gedacht habe.

Aber du bist doch gar nicht mehr.

Nein, aber das damals von mir Gedachte.

 

Hast du es gelesen ?

Was ? Das kenne ich nicht.

Es ist ja auch noch gar nicht geschrieben.

Woher kennst du es dann ?

Ich werde es schreiben, wenn es mich gibt.

 

Kennen wir uns ?

Wir werden uns nie begegnen.

Du liest nicht, was ich gedacht habe, als es mich gab

und was ich schreiben werde, wenn es mich gibt.

Und ich ?

Du bist das Jetzt, welches immer nur fragt.

 


 

 

 

 

Immer wieder begegne ich ihnen.

Am Tage und oft auch in der Nacht.

Meistens sind es meine,

doch oft gehören sie auch anderen.

 

Sie unterhalten sich mit mir,

erzählen mir Geschichten,

geben mir Ratschläge.

 

Sie helfen mir bei der Suche nach Lösungen.

Kennen meine Probleme.

 

Aber oft muß ich erst sie zum Ziel führen,

damit sie mir helfen können.

Sie begegnen sich oft,

doch sie bleiben sich meistens fremd.

 

Im Gegensatz zu uns sterben sie nicht.

Auch, wenn wir nicht mehr sind,

bleiben unsere Gedanken.





 

Zeit

Manchmal denke ich an die vergangene Zeit zurück.

Manchmal denke ich an die Zeit, die noch kommen wird.

Dazwischen ist auch viel Zeit.

Das ist die Zeit, in der ich an die vergangene und die kommende denke.

 

Zeit muß man immer von hinten bis vorne betrachten.

Alle drei Teile der Zeit gehören stets zusammen.

Aber kann man Zeit überhaupt aufteilen ?

Zeit muß man immer als etwas Ganzes denken, ohne Anfang und ohne Ende.





 

 

 

Die laute Stille

Weißt du, wie laut Stille sein kann ?

Je länger sie andauert, desto lauter ist sie.

Unerträglich schreit sie geradezu,

damit sie bewußt wird.

Sie will sich Gehör verschaffen,

weil man sie sonst nicht wahrnimmt.

 






Das darfst du nicht ! hat man mir früher immer gesagt.

Doch nicht, was das ist. Und nicht warum.

 

Ich mache es ! sage ich mir heute immer.

Doch nicht, was es ist. Und nicht wie.

 

Es ist nicht erlaubt ! hieß es früher immer zu mir.

Doch nicht, was es ist. Und nicht warum.

 

Erlaube dir alles! sage ich mir heute immer.

Doch nicht, was alles ist. Und nicht wie.



 





Wie viele Menschen werden geliebt, ohne es zu wissen ?

Wie viele Menschen werden geliebt, ohne es zu wollen ?

Wie viele Menschen werden geliebt und lieben auch ?

Wie viele Menschen wollen lieben und können es nicht ?

Wie viele Menschen werden nicht geliebt und wollen es ? 

Wie viele Menschen werden nicht geliebt und wollen auch nicht lieben ?

Muß man lieben oder geliebt werden ?

 





Das muß doch auch mal gesagt werden.

 

Buchstaben-Worte-Sätze-Gedanken

Unser Sein beginnt im Kleinen und endet auch dort.

Das Dazwischen ist nur ein Komma oder ein Punkt.




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